Semi-ESC, Teil 2

Und wieder einmal ist das Timing perfekt, die Eurovisionshymne erklingt und endlich ist auch der Computer soweit, ein bisschen mitzuarbeiten. Ich bin gespannt, ob uns diesmal vielleicht doch noch ein ernstzunehmender Kandidat gezeigt wird – auf jeden Fall wird schonmal angedroht, dass Lena heute schon wieder Satellite singen darf.

Ell steht die ganze Zeit lächelnd und ruhig in der Mitte zwischen seinen gackrigen Co-Moderatorinnen. Das macht mich ganz kirre. Ich will das den ganzen Tag sehen. Ich will ihn füttern. Er soll Präsident werden. Egal wovon.

Serbien: Željko Joksimović “Nije ljubav stvar” Das geht ja hochdramatisch los! Klimpriges Klavier, Streicher, praktisch ein ganzes Orchester inklusive Hardrock-Oboist. Wir fangen schonmal mit dem Fuchs an – und schon find ich’s auf seine schwülstige Art hübsch.

Mazedonien: Kaliopi “Cmo i belo” Boah, Hardrock. Böse schwarze Frau mit lächerlichen Backgroundmusikern, aber mit mehr Alkohol im Blut könnte man sich dezente Joan-Jett-Ähnlichkeiten einreden. Na ok, vielleicht auch nicht. Ich versuch hier, positiv zu denken!

Niederlande: Joan Franka “You and Me” Foxi: “Cher!” Ich muss spontan lachen. WAS? Die Frau trägt Indianerkostüm inklusive Oversize-Kopfschmuck und Töne trifft sie auch nur sporadisch. Herrje. Wer hat die denn dahin geschickt?! Wir versuchen uns zu trösten, indem wir Essen bestellen.

Malta: Kurt Calleja “This Is the Night” Welch eine Karriere: mit 12 Jahren sang er im Chor des Papstes, mit 19 dann in Kneipen und Pubs. Und von da an ging’s anscheinend bergab. Das klingt exakt so wie der ganze austauschbare Scheiß im Kinderprogramm auf Viva. Das will ich nicht, das brauch ich nicht – schickt lieber wieder Musiker!

Weißrussland: Litesound “We Are the Heroes” Das ist noch schlimmer, aber das ist Taktik: weil Weißrussland als Ausrichterland des ESC noch unzumutbarer wäre als Aserbaidschan, kommen von dort extra nur furchtbare Kandidaten. In diesem Sinne: geht doch nach Hause!

Na endlich mal was fürs Herz: Ell und seine zwei Mädchen verteilen Rosen und Umarmungen an die Backstageleute. Wie süß! Und er lächelt immer noch! Ich glaube, Ell ist in Wirklichkeit der fünfte Teletubbie.

Portugal: Filipa Sousa “Vida minha” Fado! Jetzt wird’s traurig! Oder auch nicht. Auf der Bühne steht jedenfalls eine goldene Frau und sie hat eine Riesenmenge Dramatik mitgebracht. Aber singen kann sie, das ist doch auch schön. Ich frag mich nur, warum die Backgroundsänger Pyjamas tragen.

Ukraine: Gaitana “Be My Guest” Die Schwester von der Indianerprinzessin vorhin hat sich ein Blumenkränzchen mitgebracht und statt echten Tänzern gibt’s selbige nur kunterbunt auf der Leinwand. Das klingt ja echt dermaßen nach Stadion, dass ich gleich automatisch Durst auf Bier kriege. Wo war nochmal der Alkohol? Nachtrag: woah, Tänzer in Hularöckchen! Es wird immer besser…

Bulgarien: Sofi Marinowa “Love Unlimited” Manu: “Auch das überzeugt mich nich!” Foxi grinst nur. Wir sind uns einig, dass es bis jetzt auch wieder ziemlich schwach war. Manu: “Aber bestimmt kommen die nächsten zehn durch!” Das hier jedenfalls nicht – was soll denn dieses Disco-Gehacke? Das macht ja nichtmal der Sängerin selber Spaß…

Slowenien: Eva Boto “Verjamem” Ich habe Schwierigkeiten, das zu interpretieren, denn da steht eine Sechzehnjährige inmitten von einem Haufen… Bräuten?… auf der Bühne. Es ist ganz nett gemacht und auch hübsch dramatisch, aber irgendwie beschäftigt uns der Wasserrohrbruch in der Nachbarschaft grade mehr.

Kroatien: Nina Badrić “Nebo” Schon wieder wurden Tänzer im Röckchen mitgebracht – wird das zum Trend? Ansonsten ist die ganze Himmelsshow ja aber ganz hübsch – und die Sängerin sieht aus wie ne große Gewitterwolke da mittendrin. Phobos und Deimos bringen ihre Röckchen dramatisch zur Geltung und die drei Wattewölkchen-Backgroundgirls halten sich dezent zurück. Angesichts des niedrigen Gesamtniveaus kann man hiermit vermutlich schon sehr zufrieden sein.

Schweden: Loreen “Euphoria” Die Geheimfavoritin, aha. Kann nicht mal einer das Fenster zu machen, es zieht da auf der Bühne, das Mädchen holt sich noch was weg! Wieso hab ich bei ihrem rhythmischen Rumgehampel auf einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich gerade mein Te-Bo-Training schwänze? Sonst ist es aber wirklich ganz ok. Vor allem auch, weil’s hier jetzt Essen gibt.

Georgien: Anri Dschochadse “I’m a Joker” Foxi informiert uns, dass sich jetzt angeblich alle 30 Sekunden der Stil ändert. Schlauer Ansatz, einfach für jeden was passendes zu machen, aber ich find es nervt. Und der Sänger sieht auch aus wie eine schreckliche Mischung aus Sebastian Krumbiegel und Uwe Ochsenknecht. Worst of all worlds. Manu: “Ich glaub für mich war da noch nix dabei…” Foxi: “Das ist mir zu konfus.”

Türkei: Can Bonomo “Love Me Back” Da werden wunderbare Tarkan-Erinnerungen wach – mehr kann man hier wohl nicht erwarten, ich bin also erstmal dafür. Zumal das bestimmt sowieso morgen den ganzen Tag mein Ohrwurm sein wird.

Estland: Ott Lepland “Kuula” Mein Freund vermisst Getter Jaani. Dieser Herr ist dermaßen nicht Getter Jaani, dass man meinen könnte, der gefühlte letzte Platz letztes Jahr hätte Estland zu denken gegeben. Eine Schmalzballade, vorgetragen ohne dolle Show von jemandem, der richtig gut singen kann. Na fein.

Slowakei: Max Jason Mai “Don’t Close Your Eyes” Hui! Metal! Oder so. Also, wenn Nickelback Metal wäre. Wenn Bon Jovi Metal wäre. Aber man muss ja nehmen, was man kriegen kann auf so einem Schlagerfest. Auch wenn der aussieht wie der von Tokyo Hotel. Foxi: “Was für euch! …Aber das Gesicht ist wirklich bisschen schwach für die Stimme.” Manu: “Ich glaub, der trägt gar keine Unterhose!” – “Woran siehst du das?!” – Foxi: “Und vor allem: warum siehst du das?!”

Norwegen: Tooji “Stay” Für einen Moment hatte ich Angst, dass der auch Metal machen will. Ist das der gleiche Typ, der letztes Jahr für Schweden aufgetreten ist? Sein Lied ist jedenfalls immer noch genauso schlecht wie 2011. Manu: “Jetzt sind fast alle durch und ich weiß noch nichtmal fünf, die weiter kommen müssten!”

Bosnien und Herzegowina: Maya Sar “Korake ti znam” Der vorletzte Teilnehmer, und endlich können wir Foxi erklären, dass die Sänger da live singen. Foxi: “Ach echt? Bis jetzt fand ich’s nur bei der Lena so offensichtlich…” Mit ner glitzernden, reifen Künstlerin an einem dunklen Flügel macht man jedenfalls mal nichts verkehrt. Und sie trägt die gebrauchten Schulterpolster von meiner Mutti auf, sehr löblich.

Litauen: Donny Montell “Love Is Blind” Wie originell – das Jünglein singt mit Augenbinde. Diese kreative Showidee und seine ausschweifende Gebärdensprache machen’s aber nicht besser. Peter Urban: “Auch musikalisch ein ziemlicher Blindgänger.”

Endlich alle durch. Ich kann nicht abstimmen. Die waren alle so schlecht. Auch Manu hat heute nichts gefallen. Ich glaub, ich guck mir das überhaupt nur noch an, um Ell die ganze Zeit glückselig lächeln zu sehen.

Ich mochte die Türkei. Das war das einzige heute, was ich mochte, und damit bin ich alleine. Geht so: Serbien, Mazedonien, Portugal, Ukraine, Slowenien, Kroatien, Schweden, Estland, Bosnien. Das war echt ein hartes Stück Arbeit, da noch halbwegs erträgliche zehn Kandidaten zusammenzuklauben. Manu: “Also heut hätt ich sogar den mit dem Esel gewählt.” Wo ist der lächelnde Ell hin? Bitte?

Grade jetzt, wo ich bisschen emotionale Unterstützung bräuchte – Peter Urban redet viel unreflektiertes über das traumhaft schöne Land Aserbaidschan und die Verhaftungen und Menschenrechtsverltzungen sind eigentlich nur die Schuld des Irans, denn Aserbaidschan ist praktisch der Himmel auf Erden. Ich hoffe, das war abgelesene Gehirnwäsche und jemand hat ihm ne Pistole an den Kopf gehalten. Ell ist immer noch weg. Ich will Ell wieder!

Jetzt wissen wir, wo Ell steckt: zur Pausenüberbrückung dürfen die Gewinner der letzten fünf ESCs zu Aserbaidschanischer Folklore singen. Also auch Ell. Leider auch Lena. Foxi: “Komponiert von Ralph Siegel, oder? …Lordi war aber schon eher, oder?” – Manu: “2006. Die haben sie gradeso nicht erwischt.” – Foxi: “Vermutlich haben sie’s extra daran festgemacht.”

Grad wollt ich mich wundern, wie eigentlich nochmal das Lied von Ell und Nikki klang – aber hey, es kommt mir total bekannt vor! Oder war das jetzt doch ein anderes? Peter Urban mutmaßt, dass Lena den “Satellite” heute wahrscheinlich wirklich zum letzten Mal gesungen hat. Foxi: “Dein Wort in Gottes Ohr!”

Ich bin für Italien diesjahr. Das ist wenigstens ein Lied! Foxi: “Wart ab, bis sie live singt…” Finale für heute erstmal, in random order as usual: Litauen? Bosnien. Serbien. Ukraine. Schweden. Mazedonien. Norwegen?! Estland. Malta?! Ich bin verwirrt und frustriert, aber endlich kommt Ell zurück, lächelt und winkt ein bisschen. Die Welt ist wieder in Ordnung. Umso mehr, als jetzt die Türkei den letzten Platz noch bekommen hat. Das wird vermutlich das schwächste ESC-Finale ever. Wir freuen uns. Aber jetzt gibt’s Eis. Bis dann.

One thought on “Semi-ESC, Teil 2

  1. Kann nicht mal jemand die russischen Ommas noch mal auf die Bühne schubsen

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