(Über-) Lebenshilfe: Firmenfeiern

Nach dem Überleben fremder Hochzeiten schneide ich nun ein noch kniffligeres Thema an: das Überleben von Feierlichkeiten, die in Förmlichkeiten ertrinken, weshalb man versucht, das Problem mit Sekt wegzuspülen, was nicht selten im Desaster endet. Exklusiv und nur hier lassen wir euch all unsere Weisheit zuteil werden und helfen, die schwierigen Stunden ohne größere Schäden zu überstehen.

Teil 1: Ankunft und Sektempfang
Die clevere Strategie bezüglich des Timings ist erstaunlicherweise nicht, möglichst spät zu kommen, um das Drama aufs nötigste zu reduzieren, sondern das genaue Gegenteil. Am besten trägt man Schuhe, in denen man bequem eine Weile (im Sinne von mehreren Stunden) stehen kann, dann ist es durchaus empfehlenswert, gleich als erster zu erscheinen – so entfällt das lästige Wandern durch den Saal, um allen die Hand zu geben, sich vorzustellen/vorstellen zu lassen und einige oberflächliche Worte zu wechseln. Wer als erster kommt, überlasst anderen den Spaß, herumzuwandern, und lässt sich einfach eine halbe Stunde lang von lauter Leuten besuchen, auf deren Seite dann der Zonk liegt, grübeln zu müssen, ob man sich womöglich schon kennt, und ein angemessenes Smalltalk-Thema zu wählen. Und man kann länger Sekt trinken! (Hierfür kann es ratsam sein, schon vor der eigentlichen Feier mithilfe eines Leberwurstbrötchens o.ä. eine kleine Grundlage zu schaffen.)

Teil 2: Grußworte
Spätestens hier kann man diese Grundlage (s.o.) dann gut gebrauchen. So bleibt man fröhlich, wenn der Durchschnittspartygast bereits von mehreren Stunden Stehen, Trinken und dezentem Hüsteln (infolge der Abwesenheit angemessener Smalltalk-Themen) völlig erschöpft und ausgehungert ist. Dass der Chef eine Rede halten will, versteht sich von selbst; ferner die Gesellschafter, einige Manager, ein paar besonders zufriedene angetrunkene Kunden und schließlich auch Vertreter von Stadtrat, Kirchenrat und Elferrat. Das wird weitere knapp zwei Stunden in Anspruch nehmen, die sich durch die eindringliche Untersuchung der zu Dekorationszwecken auf dem Tisch platzierten Naschereien leicht überbrücken lassen.

Teil 3: Der Sturm auf die Bastille… äh, das Buffet
Innerhalb der für weitgehend inhaltsleere Beatmung verbrauchten Zeit dürfte immerhin das Buffet fertig aufgebaut worden sein. Hier sind Nahrungsmittel vom Gegenwert einer nicht zu verachtenden Gehaltserhöhung aufgebaut, die es mit vereinten Kräften zu vernichten gilt. Es bietet sich an, sich nicht strikt an die Speisenfolge zu halten, da am Anfang beim Hauptgericht wenig Andrang herrschen wird, während sich später die Menschentraube in der Nähe der Vorspeisen vermutlich auflöst.
Merke: nur weil ein Essen teuer ist, schmeckt es nicht automatisch gut, also ist bei der Auswahl Vorsicht geboten – was mit kurzsichtigem Auge und optimistischem Magen als Bulette durchgeht, könnte sich später leicht als frittierte Auberginenscheibe erweisen. Die Suche nach dem Dessert ist aussichtslos, denn dieses wird bis nach Mitternacht zurückbehalten, um die hartnäckigen Esser am vorzeitigen Verlassen der Veranstaltung zu hindern (Chef) und den Aufwand zu minimieren (Caterer).

Teil 4: Business Smalltalk
Wer glaubt, die eroberte Mahlzeit nun in Ruhe einnehmen zu können, hat weit gefehlt. An der schwierigen Aufgabe, ein durchschnittliches Mehrgängemenu mit lockerer Konversation zu verknüpfen, sind bereits größere Talente gescheitert. Die Chancen, von Menschen umgeben zu sein, mit denen sich die gemeinsame Gesprächsbasis in meteorologischen Erwägungen erschöpft, stehen hoch – aber umso besser, denn wenn die Gespräche zu interessant würden, käme man ja nicht mehr zum essen. Die Situation bleibt dennoch tückisch: während man mit Besteck und Kleingeflügel kämpft, was an sich bereits genug Herausforderung wäre, muss man versuchen, vor anwesenden Kunden und Pressevertretern eine gute Figur zu machen und Interesse und Bewunderung für deren absurde Geschichten heucheln. Gute Lügner meistern diese Aufgabe spielend und werden sicher bald zum Manager befördert.

Teil 5: The Entertainers
Um den schrecklichen Smalltalk nicht den ganzen Abend führen zu müssen, wird sicherlich für Auflockerung gesorgt: da nicht damit zu rechnen ist, dass sich hundert angetrunkene, feiernde Menschen mit sich und ihren interessanten Gesprächen beschäftigen können, hat die Geschäftsführung sicherlich irgendeine Form von Zerstreuung organisiert. Musiker sind natürlich Geschmackssache, Komiker ebenso, die Musikauswahl eines DJ hingegen gefällt prinzipiell niemandem, aber einige werden schon trotzdem aus Mitleid tanzen (oder um mit ihren fantastischen Tanzstundenkenntnissen zu glänzen). Noch schlimmere Lösungen sind dann Zauberer, Tierdompteure und Hütchenspieler. Immerhin hält es den Abend interessant, diese mit dem bösen Blick zu hypnotisieren und zu hoffen, nicht in den Genuss ihrer Künste zu kommen.

Teil 6: Teufel Alkohol
Um sich von der drohenden Unterhaltung abzulenken oder besser mit ihr zurecht zu kommen, wird ein altbewährtes Hausmittel empfohlen: der Alkohol. Leider ist der zu solchen Anlässen ausgeschenkte Wein meist nicht als solcher ernst zu nehmen, und selbst wenn es eine erträgliche Sorte gab, wird diese später des Abends klammheimlich gegen eine ungenießbare ausgetauscht, um den weiteren Verzehr zu minimieren. Manchmal darf man nicht wählerisch sein – nehmen, was man kriegen kann, ist die Devise, besonders, wenn man aufgrund von Unwilligkeit des Bedienpersonals bereits seit zwei Stunden Wasser genippt hat. Es wird empfohlen, die Übersicht über die verzehrte Menge zu behalten, um zu vermeiden, nach Beendigung der Feier unter dem Tisch oder auf der Toilette aufgefunden zu werden, was in sofortiger Degradierung zum Firmenfußvolk resultiert. Wenn man bereits zu dieser Gruppe gehört: prosit, wohl bekomm’s!

Teil 7: Der gemütliche Teil.
Nachdem die Alleinunterhalter fertig sind, das Bedienpersonal langsam einpackt und sogar das verspätet dargereichte Dessert verzehrt ist, gibt es für die meisten keinen Grund mehr, zu bleiben, der Saal leert sich und entweder bleibt nun ein Grüppchen übrig, mit dem sich wirklicher Spaß haben lässt – oder man geht halt selbst auch nach Hause. In ersterem Fall sollte man sich nicht davon stören lassen, dass die Kellner bereits die Tische abräumen, aufräumen, staubsaugen und keinerlei Alkohol mehr nachschenken wollen (clevere Trinker bestellen bereits am frühen Abend Reserven für später). Erst wenn schließlich auch das letzte Schlückchen Wasser ausgetrunken ist, sollte man tatsächlich die Heimkehr in Erwägung ziehen.