(Über-) Lebenshilfe: Fremde Hochzeiten

Heiraten gerät aus der Mode? Von wegen! Während manche (=ich) sich gar nicht vorstellen können, was zwei geistig gesunde junge (oder auch nicht – im Schaufenster von Fotografenläden haben Landhausstil-Hochzeiten von Pärchen nahe der Midlifecrisis klar die Vormachtstellung) Menschen bewegt, sich diesen Stress zu machen, planen andere praktisch seit ihrer Geburt diesen romantischen Tag und zögern schließlich auch nicht, alle ihnen bekannten Personen dazu einzuladen – auch die der erstgenannten Gruppe. (Die einzig noch mögliche Steigerung ist, darauf zu bestehen, dass die Personen der erstgenannten Gruppe als Brautjungfer im rosa Tüllkleid fungieren.)
Selbst wenn man gar nicht selbst heiraten muss, hat man vor, auf und nach Hochzeiten immer noch einiges durchzustehen, aber wir wären kein überaus erfolgloses Lebenshilfeblog, wenn wir euch diesbezüglich nicht an die Hand nehmen und mit guten Ratschlägen versorgen würden. Here we go!

Teil 1: Vor der Hochzeit

Where is the vodka, where’s marinated herring?
Where is the supply that gonna last three days?

Hochzeitspaare leiden gern an Realitätsverlust, daher sollte man damit rechnen, um die Mittagszeit eingeladen zu werden, aber nicht zu einem opulenten Menu, sondern einer zweistündigen Trauungszeremonie, während der es schon äußerst unangebracht wäre, auch nur einen Keks zu essen. Wahrscheinlich vergibt das Standesamt von vornherein nur solche Termin, um den Ernst der Sache zu betonen. Tipp: such dir entweder einen Job, der dir verbietet, an einem Wochentag um die Mittagszeit verfügbar zu sein, oder hol dir vor der Trauung einen Döner am Bahnhof – der krümelt und knackt beim Essen weniger als ein Keks.
Menschen, die Braut oder Bräutigam besonders nahe stehen, sind in diesem Zeitraum zu meiden, da sie die Planung der Festivitäten fest in ihrer Hand halten und sicherlich für jeden eine Aufgabe finden. Dabei ist die Planung keineswegs koordiniert, sodass am besten alles mehrmals oder gar nicht erledigt wird, am Ende die Brautmutter in der Hochzeitsnacht den Kartoffelsalat für die Nachfeier im Garten zubereiten muss oder gleich drei Baumstämme zum Zersägen vor Ort angeliefert werden.

Teil 2: Die Hochzeitsfeier

Instead it’s one in the mornin’
and DJ is patchin’ up the cords
Everybody’s full of cake
Staring at the floor

Einige Dinge erreichen zwar erst zum Zeitpunkt der eigentlichen Hochzeitsfeier ihren Höhepunkt an Wichtigkeit, aber es schadet nicht, sich schon vorab ein paar Gedanken zu machen. Das wichtigste ist natürlich das Geschenk für’s Brautpaar. Im Idealfall wurde im Vorfeld eine Kontonummer oder eine Wunschliste bekanntgegeben, um die Zuwendungen zu koordinieren, im schlechteren Fall muss man sich selbst Gedanken machen. Einschlägige Internetseiten (unser Lieblings-Lebenshilfeportal bietet hier leider keine Hilfe – falsches Zielgruppenalter) zeigen zumindest Millionen von Wegen, einen Fünfeuroschein ansehnlich zu verpacken, sei’s als Fünfeuroschein oder Origamispinne (wertvoller Insidertipp: beim Basteln unbedingt weniger als die Hälfte des Scheins zerschneiden, damit er gültig bleibt). Gaben zur Gründung eines Haushalts (Bügelbrettbezüge, Salatschleudern, Unterröcke) haben in der heutigen Zeit leider einen etwas altbackenen Beigeschmack; besser sind trendige T-Shirts für’s Paar, wahlweise mit Game-Over-Aufdruck oder lustig grinsenden Comic-Brautpaaren. Merke: Glitzern kann es nie zuviel!
Bei der Feier gibt es eine vorgeschriebene Kleiderordnung, selbst wenn das nicht in der Einladung steht. Eine Mottohochzeit (Country-Festival/Dornröschen/Tiefseetauchen/Lacrimosa) bietet den Vorteil, dass jene Kleiderordnung allen klar ist, man allerdings den örtlichen Kostümverleih überfallen muss – bei anderen Hochzeiten genügt es, auf der Suche nach dem ersten festlichen Kleidungsstück seines Lebens zu verzweifeln. Merke: schwarz passt zwar gut zu allem und ist auch ausreichend im Kleiderschrank vorhanden, wirkt auf derart von Glück geschwängerten Festivitäten aber vielleicht zu morbide. In jedem Fall wird man sich das Styling auf dem Weg zur Feier sowieso versauen, besonders, wenn man sich dazu über zwei Stunden lang den Freuden des Bahnfahrens aussetzt. Ein weiterer wertvoller Tipp: so bequem die sonst seltenst getragenen Festtagsschuhe erscheinen mögen, bei Laufstrecken > 500m werden sie für den Fuß zur Qual, der übrigens seit dem letzten Mal auch viel dicker und breiter geworden ist.
Nach allem Aufwand, den man in die Feier einbringt: was nimmt man mit von einem solchen Fest? – Hoffentlich ein breites Grinsen, weil man selbst noch so wunderbar vogelfrei ist, und dazu zwei Kilo mehr auf den Rippen! Dazu sollte man frühzeitig herausfinden, wo an den Örtlichkeiten der Feier der Quell für Speisen und Getränke liegt und sich diesem anschließend so nah wie möglich positionieren. Falls es Platzkärtchen gibt, muss man entweder im Vorfeld doch Kontakt mit den Organisatoren in Betracht ziehen, um seine Positionierung zu sichern, oder (besser) diese geschickt vertauschen, auch wenn das bedeutet, sich den Rest des Abends mit einer Buchhalterin über Kochrezepte zu unterhalten.
Was man derweil meiden sollte, ist die Nähe zur Tanzfläche, denn hier können leicht fünf Jahre verdrängte Traumata von vergangenen Kinderfaschingsfeiern wieder hochkommen. Mit steigender Blutalkoholkonzentration der Gäste und vor allem des Paars wächst auch rapide die Bereitschaft, sich in Ententanz und der Reise nach Jerusalem zu ergehen. All das ist mit steigender eigener Blutalkoholkonzentration durchaus leichter zu ertragen; das gleiche gilt für den DJ, der wahrscheinlich einen empfindlichen Sensor für die Empfindlichkeit der Gäste hat und proportional zu dieser die Erträglichkeit seiner dargebotenen Musikstücke staffelt. Wenn sich der Abend mit dem Wurf des Brautstraußes (wenn man unbeteiligt genug tut, bemüht sich in der Regel schon jemand anders darum), einer Polonäse und dem gemeinsamen Singen von “Sex Bomb” seinem Höhepunkt nähert, sollte man schließlich unbedingt und unauffällig nach Hause verschwinden.

Teil 3: Die unvermeidliche Hochzeitsnachfeier

And this whole fucking thing
Is just a one huge disappointment

Da eine Hochzeitsfeier mit 20-50 Gästen in der Regel nicht genug ist, um alle glücklich zu machen, gibt es eine oder mehrere Nachfeiern im Kreis der “Lieben”. Vorteil hierbei ist, dass diese meist in heimischen Gefilden ausgetragen werden, d. h. hausgemachter Kuchen statt übercremter Hochzeitszuckertorte, die Chance auf einen Tee, der nicht mit lauwarmem Wasser auf einen kleinen Papierbeutel gebrüht wird, Bier statt Edelsekt und Grillfleisch statt Gourmet-Canapés. Also ein Erfolg auf der ganzen Linie, wenn man sich mit den richtigen, unterhaltsamen Personen umgibt, die es in einer Ansammlung von so vielen Menschen rein statistisch eigentlich geben muss. Wenn noch dazu die Regel gilt, dass alle Gäste ihre Platzkarten im weiteren Verlauf als Namensschildchen an Hemd oder Bluse tragen müssen, vermeidet man die Peinlichkeit, die Namen entfernter und nie vorher gesehener Großkusinen ständig zu vergessen und umschifft somit die letzte wirkliche Klippe dieser ansonsten zwanglosen Angelegenheit.

Teil 4: Wenn alles vorbei ist

So be you Donald Trump
Or be an anarchist
Make sure that your wedding
Doesn’t end up like this

Nach den Feierlichkeiten wird sich sprungartig alles Festliche verflüchtigen. Geknüpfte Kontakte stellen sich als reine soziale Gepflogenheit heraus (natürlich tauscht man Mailadressen, aber ernsthaft…) und das glückliche Paar sucht entweder schnellstmöglich das Weite, um in einem Urlaub in größtmöglicher Entfernung von den Gästen den “einen Tag” ins rechte nostalgisch-verzückte Licht eintauchen zu können, oder wechselt eben nur desillusioniert dem Kind die Windeln, in dem Wissen, dass die Welt immer noch kein besserer Ort geworden ist. Mir ist klar, dass dieser Schluss kein märchenhaftes “Happily Ever After” ausstrahlt, aber das Märchen liegt eben allein an den Beteiligten. Und ein Tag, auf dem der Druck lastet, der schönste eines ganzen Lebens zu werden, wird in den seltensten Fällen den Erwartungen gerecht. Aber ich lasse mich gern belehren (nicht bekehren) von Manu und allen anderen. Und möchte anmerken, dass Hochzeiten trotz allem ein großer Spaß sind – solange man nicht selbst heiratet. Cheers!

Demnächst oder später von Manu: überleben der eigenen Hochzeit – mit exklusivem Beitrag von Juja zum Überleben des Brautjungfernkleids. (Alle Zitate von der besten Band der Welt.)

1 thought on “(Über-) Lebenshilfe: Fremde Hochzeiten

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